Monday, November 24, 2014

Mein erster Klient ist clean - Krüger National Park - Theater "War Horse - Kriegspferd"

Endlich finde ich mal wieder Zeit, um etwas in meine Blog zu schreiben.

Nachdem ich meinen letzten Eintrag geschrieben hatte, wurde mit recht bald ein eigener Klient im Counselling zugeteilt, um den ich mich in dem nächsten Monat kümmern sollte. Er war 17 Jahre und stand vor seinen Matricprüfungen (Abitur). Da er seit ca. 3 Jahren Marihuana rauchte, seine 15-jährige Schwester ebenfalls dazu verleitet hat und seine Mutter immer wieder in dieser Hinsicht anlog, war das Vertrauen gebrochen und die Beziehung zu seiner Mutter ziemlich schlecht.
Mein Chef im Counselling und ich hatten einige Gespräche mit ihm und auch mit seiner Schwester und Mutter, um die ganze Problematik verstehen und ihm weiterhin helfen zu können.
Wir machten einen Drogentest - er war positiv für THC (Wirkstoff des Marihuanas) - und planten ein Programm für ihn, das ihn von seiner schlechten Gewohnheit ablenken sollte. Zunächst haben wir ihn aufgeklärt, was sein Drogenkonsum mit ihm, seinem Körper und der Beziehung zu seiner Familie anrichtet. Er sagte, er wolle gerne aufhören, um mit seiner Mutter wieder zurechtzukommen und um sich besser auf sein Matric vorbereiten zu können. Ohne eine solche Einstellung ist es kaum möglich, einem Klienten aus der Sucht zu helfen.
Anschließend haben wir ihn ca. 2-3 Wochen mit dem Zusammenbauen eines Computers beschäftigt. Zuerst arbeiteten er und ich die Theorie durch und schließlich gingen wir ins Computer Center und bauten den PC Schritt für Schritt zusammen. Fast jeden Tag gab es einen kleinen Fortschritt und manchmal auch einen Rückschritt, wo wir überhaupt nicht wussten, warum der PC nicht mehr laufen wollte. Das alles hatte auch einen tieferen Sinn. Es war als Sinnbild zu seinem Leben zu verstehen. Wenn eine Komponente, so klein sie auch ist, nicht in Ordnung ist und anständig eingestellt ist, funktioniert das ganze System nicht. So war es auch mit seinem Leben. Ich erklärte ihm diesem Vergleich immer wieder und er verstand, was ich ihm damit sagen wollte. Generell verstanden wir uns echt gut und gingen ab und zu zusammen ins Jugendzentrum, um dort Schach zu spielen. Er entwickelte sich in diesem Monat von einem anfangs schüchternen zu einem aufgeschlossenen und freundlichen jungen Mann, der regelmäßig ins Jugendzentrum kam, um seine Zeit dort mit anderen Jugendlichen zu verbringen.
Als ein Monat dann vorbei war, stand der nächste Drogentest an. Er war NEGATIV! Ich war total froh, dass mein erster Klient clean ist und auch seine Mutter bedankte sich bei mir, dass ich geholfen habe, ihn von den Drogen wegzuholen und die Beziehung zu seiner Familie zu verbessern. Marihuana ist zwar im Gegensatz zu Nyaope, von dem viele unserer Klienten abhängig sind, eine recht harmlose Droge, von der man schnell wegkommen kann, wenn man es wirklich will. Man hat vielleicht das Bedürfnis wieder rauchen zu wollen, aber bekommt keine Entzugserscheinungen und wird krank. So ist es nämlich bei Nyaope. Wenn man versucht diese Droge abzusetzen, bekommt man heftige Magenkrämpfe und wird unfähig irgendetwas zu machen. Für sowas gibt es Rehabilitationszentren, die den Abhängigen bestimmte Medikamente gegen die Schmerzen verabreichen. Was auch noch ziemlich tragisch ist, ist dass viele schwangere obdachlose Frauen Nyaope rauchen und die Kinder schon im Mutterleid abhängig werden. Zum einen liegt es in den Genen, dass Kinder von Drogenabhängigen eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, später auch abhängig zu werden und zum anderen kommen die Babys mit der Drogensucht der Mutter auf die Welt oder werden in der Stillzeit durch die Muttermilch abhängig.

Es gab noch zwei weitere eindrucksvolle Erlebnisse.

Eines Morgens war ich alleine im Counselling Office, weil mein Chef bei einem Meeting war. Es kam eine Frau in mein Büro, die ich vorher noch nie gesehen hatte, und sagte, sie habe ein Problem. Sie erzählte mir ihre komplette Lebensgeschichte mit allen Krisen und Problemen. Sie wurde immer emotionaler und weinte. Das zeigte mir, dass sie mir wirklich vertraute und dass sie mich als Counsellor ernst nahm. Für mich war das ein sehr wichtiges Zeichen. Wir unterhielten uns eine ganze Weile und sie bedankte sich am Ende mit einem erleichterten Lächeln für das Zuhören und sagte, es gehe ihr schon besser. Ich freute mich, weil mir das zeigte, dass ich die richtige Arbeit gewählt habe.

An einem Donnerstag Abend beim Outreach waren wir mal an einem andere Spot, wo viele Obdachlosen unter Überdachungen von verschiedenen Shops ihre Nacht verbringen. Wir fanden einen Mann, der sich vor Schmerzen kaum bewegen konnte und uns mit einem qualvollen Gesicht ansah. Wir fragten, was los sei und er zeigte uns sein verwundetes Bein. Jeder von uns war schockiert, denn vor allem sein Fuß war dick angeschwollen, verkrustet und hatte einige offene Fleischwunden. Seine Freunde erzählten uns, was geschehen war. Vor ca. 9-12 Monaten sei er von hinten mit einem Messer in die Hüfte gestochen worden und die innere Blutung verursachte, dass das Blut in sein Bein gelangte und sich dort staute. Dazu kam noch eine Infektion, die alles schlimmer machte. Er sei auch schon im Krankenhaus gewesen, aber die Ärzte haben ihm nicht helfen wollen, weil er unangenehm gerochen habe.
Wir haben ihn den nächsten Morgen zusammen mit ein paar Leuten vom Outreach Team in das lokale Krankenhaus gebracht. Ich musste zur Arbeit, aber die anderen haben mir erzählt, dass sie 6 Stunden warten mussten und die Ärzte die meiste Zeit nur an ihren Handys waren und sich nicht wirklich um die Patienten kümmern wollten. Der Verletzte landete also den gleichen Tag wieder auf der Straße. Wir waren echt geknickt, weil wir ihm helfen wollten. Zum Glück wurde er dann in einem anderen Krankenhaus behandelt und einer von unserem Team kümmert sich regelmäßig um ihn.

Des Weiteren waren wir dieses Wochenende mit dem Counselling und zwei Klienten in der Nordwest Provinz Südafrikas in Emoyeni (einem buddhistisch meditativen Zentrum). Wow war das ein Unterschied zu Hillbrow. Total ruhig und idyllisch. Wir durften dort umsonst übernachten und essen, mussten aber dafür am Samstag 5 Stunden haufenweise Dornbüsche entwurzeln. Es war echt anstrengend, aber als Ausgleich gab es Samstag viermal eine halbe Stunde Meditation. So etwas hatte ich noch nie ausprobiert, aber es war total entspannend und insgesamt habe ich das Wochenende sehr genossen.

Dann waren wir noch auf einem Kids Week Camp, wo wir die anstehenden Kids Weeks (Kinderwoche für ca. 200 Kinder) vorbereitet haben. Unter anderem wurden Themen wie "Mein persönlicher Glaube", "Wie erzähle ich eine Geschichte?" und "Wie mache ich den Glauben für Kinder verständlich" angesprochen und diskutiert. Mein Projektpartner und ich hatte das Thema "Mein persönlicher Glaube" und da wir diese Einheit auf unserem Vorbereitungsseminar in Hermannsburg schon einmal hatten, nahmen wir einfach diese Fragen, übersetzten sie ins Englische und los ging es. Wir dachten, es hat ja auf dem Seminar so super funktioniert, dann wird das hier sicher auch so sein. Trugschluss! Unsere Fragen wurden teilweise nicht verstanden und anders ausgelegt. Wir stellten sie nach dem deutschen "Glaubensverständnis" - sie beantworteten die Fragen nach dem südafrikanischen "Glaubensverständnis".
"Was ist euch wichtiger, der persönliche Glaube oder die Gemeinschaft?" - Totale Katastrophe! Grund war, in Südafrika gibt es so etwas wie den persönlichen Glauben alleine nicht. In Deutschland kommt es durchaus vor, dass man an Gott glaubt, aber nicht in die Kirche geht. In Südafrika ist das unmöglich. Glaubt man an Gott, ist man immer in einer Gemeinde. Das konnten wir ja nicht ahnen, aber auch das gehört zu dem Leben in einem anderen Land dazu.

Vor ca. einem Monat haben mein Projektpartner, 2 andere ELM-Freiwillige und ich einen Trip nach White River gemacht. Dort wohnt ein anderer Freiwilliger, den wir besuchten und den folgenden Tag zusammen im Krüger National Park verbrachten. Was ein Tag!!! Für alle, die nicht wissen, was die Big 5 (Großen 5) Südafrikas sind: Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard. Wir hatten eine Tour mit einem Ranger gebucht. Los ging es um viertel vor 5 morgens. Der Ranger führte uns durch den Park und brachte uns zu den besten Plätzen. Wir sahen tatsächlich alle Big 5, was wirklich selten ist und zu unserem Glück sahen wir das seltenste Tier der Big 5 - den Leoparden - sogar zweimal. Völlig happy aber auch erschöpft kamen wir dann nachmittags wieder in White River an und konnten es immer noch nicht glauben, so ein Glück gehabt zu haben.


Hier noch die besten Bilder dieses Tages













Am nächsten Tag waren wir dann noch bei einem Wasserfall und wollten zu verschiedenen bekannten Stellen wie Pilgrim's Rest und God's Window fahren. Leider blieb eines unserer Autos liegen und wir konnten unseren Plan nicht verwirklichen. Wir machten allerdings das Beste draus, genossen die Landschaft, dort wo wir liegen geblieben waren, und sahen einen wundervollen Sonnenuntergang.



Wenn das Auto liegen bleibt, erstmal ein Gruppenfoto machen.






Das letzte Highlight, wovon ich erzählen will, war das Montecasino Theater. Unser Hillbrow Theater hat super Verbindungen und konnte uns kostenlose Karten organisieren. Gespielt wurde "War Horse" (Kriegspferd), bei dem keine echten, sondern selbstgebaute Pferde eingesetzt wurden. Mehrere Menschen spielten ein Pferd und die Verhaltensnachahmung eines echten Pferdes war Weltklasse. Wie verhält sich das Pferd in welcher Situation? Das haben sich die Schauspieler in ihren Proben gefragt und sogar echte Pferde studiert und die anschließend umgesetzt. Ein paar Tage später kamen die Schauspieler noch zu uns ins Theater und wir hatten die Gelegenheit, ihnen Fragen zu stellen und ein bisschen zu plaudern.

Quelle: http://www.southafrica.net/blog/en/posts/entry/warhorse-comes-home-to-south-africa

Das waren soweit alle nennenswerten Erlebnisse der letzten Wochen. Ich hoffe Euch geht es gut im kalten Deutschland.

Einen guten Start in die Weihnachtszeit wünsche ich Euch!

Euer Jonathan